Spätsommer ist Heuschreckenzeit. Zwar kann man auch schon ab Juni oder Juli die ersten adulten Heuschrecken durch die Wiese oder durchs Gesträuch hüpfen und krabbeln sehen, doch im August sind fast alle unserer rund 80 heimischen Arten im Feld anzutreffen. Ihnen gilt schon seit längerem mein gesteigertes Interesse. Bei Ausflügen an die obere Isar und in die Südalpen habe ich immer wieder nach interessanten und für mich neuen Arten Ausschau gehalten. In diesem Jahr habe ich mich auch verstärkt den Arten „vor der Haustür“ fotografisch gewidmet. In Freiburg und Umgebung sind einige Besonderheiten zu finden, die in anderen Regionen der Republik kaum oder gar nicht anzutreffen sind.
Heuschrecken sind hemimetabole Insekten. In ihrer Entwicklung vom Ei zum fertigen Imago durchlaufen sie mehrere Larvenstadien, wobei zwischen zwei Larvenstadien eine Häutung vollzogen wird. Gegenüber den holometabolen Insekten (z.B. Schmetterlingen) fehlt ihnen das Puppenstadium. Bei Heuschrecken unterscheidet man zwei Unterordnungen, die Kurz- (Caelifera) und die Langfühlerschrecken (Ensifera). Zu welcher der beiden Unterordnungen eine Art gehört, lässt sich - wie die Bezeichnungen schon andeuten - anhand der Fühlerlängen sehr einfach erkennen. Langfühlerschrecken, zu denen auch die Grillen gehören, haben meist körperlange oder noch längere, sehr dünne Fühler. Bei den Kurzfühlerschrecken sind die Antennen deutlich kürzer als die eigene Körperlänge.
Die exakte Bestimmung von Heuschrecken ist mitunter etwas schwierig. Zwar gibt es einige sehr markante Arten, die man auf den ersten Blick erkennt. Aber z.B. sehen sich die Vertreter der Gattung Chorthippus, zu denen einige unserer häufigsten Arten zählen, doch oft sehr ähnlich. Für die Bestimmung hilfreich kann die Kenntnis ihrer Gesänge sein - das Geräusch schlechthin, wenn man an die Klangkulisse einer Sommerwiese an einem heißen Augusttag denkt. Das Zirpen wird durch Aneinanderreiben der Flügel oder der Hinterbeine an den Flügeln erzeugt. Schrillleisten sind für die eigentliche Tongebung verantwortlich. Auch mit Hilfe der Mandibeln können Laute erzeugt werden.
Nachfolgend werden einige Arten kurz beschrieben. Die Schiefkopfschrecke (Ruspolia nitidula) galt in Deutschland als ausgestorben, kann aber mittlerweile wieder in geeigneten Biotopen im Südwesten gefunden werden. Die Braunfleckige Beißschrecke (Platycleis tessellata)machte in jüngster Vergangenheit in Freiburg häufiger von sich Reden, so als der Papst zu Besuch kam oder im Zuge des Stadionneubaus für den Sportclub. Ihr Vorkommen auf lückigen Trockenrasen im Bereich der neuen Messe bzw. des Flugplatz ist eines von nur ganz wenigen in Deutschland. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Stadionneubau zusammen mit den hierfür notwendigen Infrastruktureinrichtungen sowie die Erweiterung der Uni im gleichen Bereich auf die Population auswirken. Leider konnte ich die Art bislang noch nicht aufspüren, aber ich bleibe dran. Die Gebirgsschrecke (Stauroderus scalaris) liebt es deutlich kühler und ist in Deutschland ausschließlich im Schwarzwald zu finden. Grüne Strandschrecke (Aiolopus thalassinus) und Lauchschrecke (Mecostethus parapleurus) weisen ebenfalls einen deutlichen Schwerpunkt im Badischen auf.
An der oberen Isar bei Garmisch hielt ich gezielt Ausschau nach Gefleckter Schnarrschrecke (Bryodema tuberculata) und Kiesbank-Grashüpfer (Chorthippus pullus). Erfreulicherweise konnte ich die beiden Charakterarten naturnaher alpiner Flüsse auf Schotterbänken der Isar vorfinden. Die Sibirische Keulenschrecke (Gomphocerus sibiricus) und die Große Höckerschrecke (Arcyptera fusca) fand ich im Aosta-Tal in den italienischen Alpen. Aber nicht nur Raritäten, auch weit verbreitete Vertreter wie die Rote Keulenschrecke (Gomphocerippus rufus) und die Gemeine Strauchschrecke (Pholidoptera griseoaptera) wollen ins rechte Licht gerückt werden.
Heuschrecken zu Fotografieren ist nicht ganz einfach. Anders als Schmetterlinge oder Libellen sind sie auch nach einer kalten Nacht bewegungsfähig – zwar etwas träger als sonst, aber zum Aus-dem-Bild-Hüpfen oder -Krabbeln reicht es. Tagsüber sind sie hingegen sehr agil, besonders zur heißen Mittagszeit. Dann ist an Fotografieren – auch des Lichts wegen – aber ohnehin kaum zu denken. Der günstigste Zeitraum, sich ihnen fotografisch zu nähern, scheint mir deshalb der Abend. Einerseits kann man die gewünschten Arten noch einigermaßen leicht auffinden - was insofern wichtig ist, da Schrecken, wenn sie ruhig in der Vegetation sitzen, nur schwer zu entdecken sind. Andererseits geht ihre Aktivität ca. eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang merklich zurück. Sie lassen sich dann auch eine Annäherung mit der Kamera gefallen.
Viel Spaß beim Betrachten der kleinen Galerie!
Kommentar schreiben
Stefan (Montag, 07 September 2015 12:31)
Hallo Joachim,
ein sehr schöner und lehrreicher Blogpost - dein Auge wünsch ich mir manchmal. Wieder sehr viele tolle Bilder, besonders die Aufnahmen der gut getarnten Tiere haben mich fasziniert.
LG & bis bald
Stefan