Der Titel dieses Posts ist doppeldeutig gemeint. Denn beim Stichwort "Sibirien" kommen einem wohl zuerst endlose Weiten, ausgedehnte Sümpfe und einsame Waldgebiete in den Sinn. Für den Teil Sibiriens, in dem wir uns aufhielten, stimmt das nur zum Teil. Die Besiedlung war zwar merklich dünner als von zuhause gewohnt, aber pure Wildnis ist was anderes. Vor allem zielt der Titel aber darauf ab, dass ich mich bei meinen Bildern darauf konzentriert habe, die Zivilisation, die ja immer zugegen war (wir sind ja schließlich auf Straßen oder Pisten gefahren), möglichst auszublenden. Rückblickend war das vielleicht ein Fehler.
Die vielen kleinen Straßendörfchen, die wir durchquert haben, wiesen eigentlich immer großen Charme auf: staubige Straßen, viel Müll (eigentlich verzichtbar, aber hier gehört er zum Erscheinungsbild) und vor allem diese kleinen, bunten, pittoresken Holzhäuschen, bei denen es keinen rechten Winkel zu geben scheint. Das alles gibt natürlich den vernebelten Blick eines unbedarften Touristen wider, der gerade mal für vier Wochen durchs Land zieht und die rosa Brille auf hat. Denn diese scheinbare Idylle (der Müll ist hier nicht gemeint!) ist doch vor allem Ausdruck von Armut und Mittellosigkeit. Es ist nur schwer vorstellbar, dass die Menschen im Winter bei -20 Grad allzu gerne in ihren zwar bunten, jedoch nicht isolierten und mit etlichen Ritzen versehenen Holzhäuschen sitzen und sich nur am Feuer wärmen. Auch bezahlte Arbeit zu finden fällt sicherlich schwer, sofern man nicht jeden Tag dutzende Kilometer in die nächstgelegene Stadt fahren möchte oder kann.
Insgesamt wähnte man sich aber oft gar nicht so weit weg von bekannten Gefilden, denn immerhin befindet man sich ja auf den gewohnten Breitengraden, was seinen Ausdruck darin fand, dass sich die Landschaft oftmals nur unwesentlich von dem unterschied, was man von zuhause her kennt. Erfreulich war es immerhin, einmal zu sehen, wie Flüsse aussehen, wenn sie denn nicht "korrigiert" wurden, wie das bei uns seit Menschengedenken gemacht worden ist. Was die Wälder betrifft, gab es häufig sehr üppige und auch ursprünglich aussehende Bereiche, durchweg aber von echten Urwäldern zu sprechen, würde ich mich nicht getrauen, zu sehr bestimmt auch dort die (industrielle) Holznutzung das Bild.
Die beiden landschaftlich schönsten Gebiete waren für mich zum einen die steppenartigen Landschaften südlich des Baikalsees, wenige Kilometer vor der mongolischen Grenze gelegen. Und zum anderen der Tunka-Nationalpark, wo wir unser Lager erst nach vielen Kilometern Fußmarsch in einem waldmoorartigen Bereich aufgeschlagen haben, garniert mit einem Blick auf zwar nicht übermäßig hohe, aber durchaus sehr ansehnliche Berge.
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